Die Entwicklung von Selbstregulierung

Selbstregulierung wird in der pädagogischen, ja selbst in der psychologischen Literatur, sehr unterschätzt.  Sie bezeichnet d das Herbeiführen eines angenehmen Gemütszustands, offen und verbunden mit der Umwelt. Je nach therapeutischer Richtung wird dieser Gemütszustand anders betrachtet - was bei der Acceptance und Commitment Therapy die psychische Flexibilität bedeutet ist bei Somatic Experiencing das Social Engagement System usw, aber alle meinen wir dasselbe: einen Zustand der inneren Ruhe, in welchem sich eine Zufriedenheit einstellt.

 

Stuart Shanker beschreibt in seinem Buch "das überreizte Kind" nun, wie Bezugspersonen die Selbstregulierung bei Kindern fördern können. Im Gegensatz zur Flut pädagogischer Bücher für den Umgang mit "schwierigen" Kindern zeigt er nicht, wie Tricks ein gewünschtes Verhalten erzeugt werden kann, sondern wie Kinder zu einer inneren Kompetenz im Umgang mit sich selbst gelangen können. 

Hier ein paar zusammengefasste Auszüge vom Inhalt:

 

Zum Begriff Selbstregulierung

Die Selbstregulierung bezieht sich auf die achtsame, willentliche Herbeiführung eines Zustands der inneren Ruhe (tiefe Bauchatmung, nach innen gerichtete Aufmerksamkeit, ein Wohlsein in sich selbst). Diese innere Ruhe bedingt einen Zustand aufgefüllter Ressourcen. Anstrengungen und Stress wiederum verbrauchen viele Ressourcen und können im ungünstigen Fall zu einem Ressourcenmangel führen.

Der Selbstregulierung gegenüber steht Idee der Selbstkontrolle, welche in einem Kraftakt (welcher oft auch als Stärke empfunden wird) die Impulse unterdrückt, was häufig mit hohen Selbstkosten und Gefahren (Versagen, Verselbständigung der Unterdrückung, Teufelskreislauf mit Selbstvorwürfen) einher geht, also mit Stress und Ressourcenverbrauch.

 

5 Schritte führen zur Selbstregulierung (3E)

Erkennen                   

1. Erkennen, wann ein Kind zu grossem Stress* ausgesetzt ist 

2. Stressfaktoren* identifizieren                               *in einer der 5 Domänen

Eindämmen                 

3. Stressfaktoren* reduzieren

Erneuern  von Ressourcen                   

4. Das Kind unterstützen wahrzunehmen, wann es etwas für sich selbst tun muss

5. Selbstregulationsstrategien zu entwickeln

Gehirnbrücke

Als Gehirnbrücke wird die verbale und vor allem nonverbale  (Berührungen, Blickkontakt, Körperspannung, Stimme, Emotionen) Kommunikation zwischen Bezugsperson und Kind bezeichnet, auch Resonanz genannt. Sie ist vor allem anfangs das wichtigste Werkzeug der Selbstregulation und basiert darauf, dass die Bezugsperson zu allererst sich selbst reguliert und den regulierten Zustand im Kontakt zum Kind auf dieses überträgt. Hilfreich:

·      darauf achten, wie ein Kind etwas sagt (statt darauf einzugehen, was es sagt)

·      Augenkontakt, sanfte Berührung, Bauchatmung

·      langsame und leise Sprache, zurückhaltende Gestik

Die 5 Domänen

Es gibt 5 Domänen, in welchen Stress Ressourcen aufbraucht. Die Domänen wirken wechselseitig aufeinander, wobei die biologische und emotionale Domäne zuerst „gesättigt“ sein müssen, um die weiteren Domänen aufzubauen.

1.    biologische Domäne: Ernährung, Bewegung, Schlaf, Motorik, Sensomotorik

Zeichen für Stress: Lethargie, Hyperaktivität, Schwierigkeiten mit Übergängen (Flexibilität)

Hilfreich: vielseitige Ernährung, genügend Schlaf (Hilfestellung bei Einschlafschwierigkeiten), Kaubewegungen, Gehen

2.    emotionale Domäne: Laune, Gemütszustand

Zeichen für Stress: intensive Gefühle, Ängste, Wutausbrüche

Hilfreich: Schaukeln, Singen

3.    kognitive Domäne: Umgang  mit Reizen und Informationen

Zeichen für Stress: Aufmerksamkeitsprobleme, Lernschwierigkeiten

4.    soziale Domäne: Anpassungsfähigkeit, Deutung von sozialen Signalen, Verbundenheit

Zeichen für Stress: unruhige Freundschaften, soziale Fehlinterpretationen (Überdeutung von Verhalten Anderer), sich ausgeschlossen fühlen, Rückzug

5.    prosoziale Domäne: Mitgefühl

Zeichen für Stress: Schwierigkeiten im Perspektivenwechsel, fehlendes Mitgefühl

Langeweile und Sucht

Was vom Kind als Langeweile bezeichnet wird, ist eine ausgeprägte, unangenehme Empfindung, welche sich aufgrund eines Ressourcenmangels einstellt und auf den Überschuss an Kortisol im Blut nach einer Überstimulation (=übermässiger Verbrauch von Ressourcen) zurückzuführen ist. Dasselbe gilt für den emotionalen und körperlichen Zustand, der bei Suchtbetroffenen das Gefühl des Cravings auslöst: es ist ein Signal für einen Ressourcenmangel. Dieses aversive Gefühl wird fälschlicherweise mit dem Ausbleiben der Überstimulation assoziiert, weshalb spontan eine Sehnsucht nach Überstimulation (und Aufhebung des aversiven Gefühls) ausgelöst wird. 

Es braucht eine Umdeutung dieser aversiven Gefühle wie Langeweile und Craving: Sie sind ein Appell zur Befriedigung der Bedürfnisse innerhalb der 5 Domänen, ein Aufruf zum Auffüllen der Ressourcen. Erst wenn die Ressourcen aufgefüllt sind, kann das Kind, resp der Betroffene in einen Zustand der inneren Ruhe finden.

 

 

 

Auf einer schul-und leistungsbezogenen Ebene werden die Domänen schön von lernenbewegt und dem Institut Beatenberg vorgestellt: