Wie sich Konzentration bei Kindern fördern lässt - ein Artikel von Sabine Kurz in welt.de
Eltern wünschen sich ein glückliches und erfolgreiches Leben für ihre Kinder. Gerade zum Schulanfang
wollen sie die Weichen richtig stellen. Doch wie kann man die Kinder unterstützen? Mit Kinderturnen?
Musikalischer Früherziehung? Zweisprachiger Erziehung? Oder sollte man sich doch auf die rein
schulische Bildung konzentrieren?
Forscher der University of British Columbia richten ihr Augenmerk nun auf etwas anderes: die so
genannten Exekutive Funktionen (EFs). Damit werden die kognitiven Kontrollmechanismen bezeichnet,
die man braucht, um sich zu konzentrieren und um nachzudenken. Die wichtigsten Mechanismen sind
mentale Anpassungsfähigkeit, Selbstkontrolle sowie das Arbeitsgedächtnis. Auch die Fähigkeit,
Probleme zu lösen, vorausschauend zu planen und das logisches Denken gehören dazu. Sind diese
Fähigkeiten nicht gut entwickelt, kann es schwer sein, Erfolg im Beruf zu haben.
Konzentrationsmangel wirkt nachhaltig
So haben Studien der letzten Jahre gezeigt, dass Menschen, die als Kinder eine niedrige Selbstkontrolle
zeigen, 30 Jahre später schlechtere kognitive Fähigkeiten haben. Sie verdienen weniger, sind öfter
krank und begehen mehr Verbrechen als Personen mit einer hohen Selbstkontrolle. EFs haben also
einen Einfluss auf die körperliche und mentale Gesundheit – und zwar das ganze Leben lang.
Wer also Gesundheit und Erfolg des Nachwuchses nicht dem Zufall überlassen möchte, sollte nach
Ansicht der Wissenschaftler, dessen exekutiven Funktionen schon früh trainieren. Das hilft auch dabei,
durch soziale Herkunft bedingte Leistungsunterschiede auszugleichen.
Was kann man nun aber als Eltern tun, um die Konzentration des Kindes zu fördern? Der Buchautor und
Schulberater Detlef Träbert, früher selbst als Lehrer tätig, rät: "Viel trinken, Bewegung und frische Luft
sind das A und O." Auch sollten Eltern darauf achten, dass ihr Kind morgens nicht ohne Frühstück aus
dem Haus geht. "Das Frühstück liefert die Energie für den Tag. Wenn Kinder darauf verzichten, legen sie
einen glatten Fehlstart hin.
Ohne Grundlage sind sie in der Schule weniger aufmerksam und können sich schlechter
konzentrieren", erklärt Ernährungswissenschaftlerin Alexandra Krotz von der Techniker Krankenkasse.
"Daher ist es bedenklich, dass ein Drittel der Kinder, die sowieso schon häufig schlapp und müde sind,
ohne Frühstück aus dem Haus gehen."
Alle Techniken, die Forschern als hilfreich erkannt haben, gleichen sich darin, dass sie wiederholt
angewendet werden müssen. Dadurch bessern sich die EFs schrittweise. Kinder, die zu Beginn noch
relativ schlechte exekutive Funktionen zeigen, machen dann auch die größten Fortschritte.
Konzentrationsstörungen bei Kindern können in Extremfällen ein Symptom von
Aufmerksamkeitsdefizitstörungen wie ADS und ADHS sein. Etwa 600.000 Kinder und Jugendliche in der
Bundesrepublik sind von diesen Verhaltensstörungen betroffen. Gerade in diesem Fall kann das
spielerische Training des Arbeitsgedächtnisses helfen und die Konzentrationsspanne verlängern.
Man müsse aber aufpassen, keine Fehldiagnose zu stellen, und das Kind auf Dauer mit der Diagnose
ADHS zu brandmarken, denn auch Stress, Einsamkeit und mangelnde körperliche Fitness können die
Funktion der Frontallappen im Gehirn und damit die exekutiven Funktionen beeinträchtigen, sagen
Forscher.
Auch erwarten immer mehr Eltern viel zu viel von ihrem Kind, und vermuten schon eine
Aufmerksamkeits- oder Lernstörung, obwohl die Fähigkeiten des Kindes im natürlichen Rahmen liegen.
Detlef Träbert gibt ein Beispiel: "Bei einem zehnjährigen Kind ist es schon gut, wenn es sich 20 Minuten
lang auf eine Aufgabe konzentrieren kann, die ihm nicht gefällt."
Darum helfen Methoden, die dem Kind Spaß machen, immer mehr, als solche, die nicht speziell auf
Kinder ausgerichtet sind. Was vielen Eltern nicht klar ist: Konzentration ist keine reine Willenssache,
sondern kann nur durch Training verbessert werden. Zu viel Druck oder zu hohe Erwartungen können
mehr schaden als nutzen.
Es gilt also immer: Das Kind sollte an den Aktivitäten – egal ob Blockflötenunterricht, Yoga oder Karate
– teilnehmen wollen. Außerdem reicht es nicht, die exekutiven Funktionen nur ein einziges Mal zu
trainieren. Stattdessen muss man sie regelmäßig und mit immer steigender Schwierigkeit üben.
Computerprogramme, mit deren Hilfe die Kinder spielerisch lernen können, werden besonders
empfohlen. Eines davon ist das Programm "CogMed" von Pearson Education, das von Adele Diamond
und Kathleen Lee im Fachmagazin "Science" beschrieben wird. Mit ihm kann das Arbeitsgedächtnis
sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen trainiert werden kann.
Konzentration spielerisch trainieren
Das Spiel hat den Vorteil, dass Kinder mit Spaß zu Hause ihre Konzentrationsfähigkeit und ihr
Gedächtnis verbessern können, ohne dass zu viel Leistungsdruck aufkommt. Zum Ausprobieren findet
man auch ein kostenloses Spiel online ( www.spaceminespatrol.com ). Hier muss der Spieler die Erde
zum Beispiel vor Meteoriten schützen, indem er sie in der richtigen Reihenfolge zerstört. Dass Spiel ist
so spannend, dass man kaum darauf kommt, dass es ein Konzentrationstraining ist.
Auch Traditionelle Kampfkunsttechniken wie zum Beispiel Taekwondo fördern die Selbstdisziplin und
helfen zudem bei der Charakterentwicklung. Studien haben gezeigt, dass sich dadurch auch das
Arbeitsgedächtnis verbessert. Die gleichen positiven Effekte haben auch Achtsamkeits-Übungen, bei
denen man lernt, auch im Alltag die Umwelt bewusster wahrzunehmen.
Zudem können Entspannungstechniken, wie Progressive Muskelentspannung, Traumreisen und
Autogenes Training einen positiven Effekt auf die Konzentrationsfähigkeit haben.
"Entspannungstraining kann sehr hilfreich sein", bestätigt Schulberater Detlef Träbert.
"Viele Kinder leiden unter dem Erwartungsdruck der Eltern und der Schule. Da hilft es, ab und zu richtig
zur Ruhe zu kommen." Er empfiehlt auch einfache Hausmittel zur Steigerung der exekutiven
Funktionen: abendliches Vorlesen, Kuschelrituale oder Spieleabende.
Studien, die sich mit den Lehrplänen an Schulen befassen, zeigen, dass auch im regulären Unterricht
die exekutiven Funktionen der Kinder trainiert werden können. Montessori-Schulen und einige
amerikanische Schulförderungsprogramme wenden Methoden zur Förderung der exekutiven
Funktionen an.
In deutschen staatlichen Schulen steht das Konzentrationstraining noch nicht auf dem Stundenplan.
Auch in der Lehrerausbildung sucht man vergeblich danach. "Dabei sollte Konzentrationsförderung in
allen Schularten betrieben werden", fordert Detlef Träbert.
Einen Leistungstransfer zwischen den einzelnen Bestandteilen der EFs gibt es den Forschern zufolge
nicht. Studienteilnehmer, die zum Beispiel ihr Arbeitsgedächtnis mit einem Computerprogramm
trainiert hatten, zeigten keine Verbesserung beim logischen Denken. Daher wird empfohlen,
verschiedene Aktivitäten zu kombinieren, wie etwa Selbstverteidigung zusammen mit Achtsamkeitsübungen. Für letztere lesen Sie meine Blogs zum Thema Lebensfluss.